PARIS

Die schönste Stadt der Welt

Der Tod Josephines

Das Grab Kaiserin Josephines in der Kirche Saint-Pierre-Saint-Paul im Stadtzentrum von
Rueil-Malmaison. Wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts dient auch heute noch ein zeltförmiger Pavillon als Portal des Schlosses. Ich betrete ein von feinpolierten Stucksäulen getragenes Vestibül aus Marmor, Granit und Porphyr.

Nach Napoleons erster Abdankung 1814 waren der russische Zar Alexander I. und der preußische König Friedrich Wilhelm III. durch dieses Vestibül geschritten, um der geschiedenen Frau des besiegten Gegners ihre ritterliche Ehrerbietung zu erweisen. Allerdings brachte ihr diese Ehrerbietung wenig Glück. Bei einer späteren Kutschfahrt durch den Park an der Seite Zar Alexanders erkältete die Kaiserin sich, woraus sich schon bald eine Lungenentzündung entwickelte. Bereits kurz darauf musste Josephine in ihrem vergoldeten Schwanenbett gepflegt werden.
"Am nächsten Tage, dem 29. Mai und Pfingstsonntag", berichtete ihre Tochter Hortense, "trat mein Bruder, der ungeachtet seines Fiebers aufgestanden war, in das Zimmer der Mutter. Wie sie unserer ansichtig wurde, streckte sie in großer Bewegung die Arme nach uns aus und sagte Worte, die nicht mehr zu verstehen waren; einige Stunden später fand ich sie derartig verändert, dass die entsetzliche Gewissheit, sie verlieren zu müssen, zum ersten Mal in meinem Bewusstsein Wurzeln schlug." Hortense wurde am Rand des Bettes ohnmächtig, "ohne auch nur die Hand fassen zu können, die sich nach mir ausstreckte (...)."

In der ersten Etage von Malmaison betrete ich jenes Zimmer, in dem Josephine in den Armen ihres Sohnes Eugène de Beauharnais starb. Einem orientalischen Zelt nachempfunden, ist der Raum ganz in roter Seide ausgeschlagen und mit einem kreisrunden, himmelblauen Deckengemälde verziert. Nach dem Tod seiner Mutter ließ Eugène sämtliche Möbel in das Leuchtenberg-Palais nach München bringen; lediglich das vergoldete Schwanenbett, in dem die Kaiserin mit gerade einmal fünfzig gestorben war, wurde später hierher zurückgebracht. Als Napoleon noch einmal für 100 Tage die Herrschaft in Frankreich ergriffen hatte, kam er am Morgen des 12. April 1815 noch einmal in dieses Zimmer und stand mehrere Stunden allein vor diesem leeren Schwanenbett. Als er von dort zurückkam, sah Hortense, wie ihm Tränen über die Wange rannen.
Nach ihrem Tod ein knappes Jahr zuvor lag der Leichnam Josephines in der vollkommen schwarz verhangenen und mit Hunderten Kerzen erleuchteten Eingangshalle für mehrere Tage in einem offenen Sarg aufgebahrt. Mehr als 20.000 Trauernde gingen daran vorüber, um Abschied von Notre Dame des Victoires zu nehmen.

An der Seite Nicolaus von Leuchtenbergs gehe ich von Malmaison nach Osten in Richtung der letzten Ruhestätte der Kaiserin. Es ist derselbe Weg, über den mehr als zweihundert Jahre zuvor, lange vor Josephines Tod, zwei andere Männer spazieren gegangen waren: "Als wir in Malmaison waren und oft die Allee nach Rueil gingen", erinnerte sich Napoleons Sekretär Bourrienne, "unterbrach oft der Schlag der Dorfkirche unsere Gespräche über die ernstesten Themen. Bonaparte blieb dann stets stehen, damit das Geräusch unserer Schritte nicht jenen Klang übertönte, den er sehr angenehm fand."
Während Nicolaus von Leuchtenberg erzählt, dass es in der kubanischen Hauptstadt Havanna ein Napoleon-Museum gibt, das "das Original eines seiner Hüte besitzt", hören wir plötzlich den Glockenschlag einer Kirche, der wie aus einem anderen Jahrhundert herüberzuklingen scheint. Er kommt von der Eglise Saint-Pierre Saint-Paul in Rueil, in der die Kaiserin begraben liegt.
Auf dem lieblichen Platz vor der vom Architekten Richelieus errichteten Kirchenfassade sprudelt munter ein Brunnen. Über der Veranda des Gotteshauses steht zu lesen "Liberté, Égalité, Fraternité". Rechts davon befindet sich erfreulicherweise die Brasserie Le Beauharnais, in der wir zu Mittag essen. Als der Herzog von Leuchtenberg und ich anschließend die Renaissancekirche aus dem 16. Jahrhundert betreten, umfängt uns völlige Stille. Die alten Kirchenbänke sind menschenleer.

Es sind dieselben Kirchenbänke, die bei der Totenfeier Josephines am 2. Juni 1814 mit Hunderten Trauergästen gefüllt waren, unter denen sich zu Ludwig XVIII. übergelaufenen Marschälle Napoleons, Gesandte des russischen Zaren und Königs von Preußen, Maler, Botschafter, Pairs und in schwarze Schleier gehüllte Damen befanden. Nicht lange darauf hatten die Kinder der Verstorbenen, Eugène und Hortense, ein Grabmonument in Auftrag gegeben, das ihre Mutter in jener andächtig knienden Haltung zeigt, die sie auf dem berühmten Krönungsbild von David im Louvre einnimmt (vgl. S. 148).
Nicolaus von Leuchtenberg und ich gehen zu dem feingestalteten Grabdenkmal aus Carrara-Marmor, das sich vor dem Altar rechts in einer Seitenkapelle befindet. Dort legt der Herzog eine weiße Rose am Fuße des Grabes seiner Ahnherrin nieder und bleibt einige Zeit mit gefalteten Händen davor stehen. Dann setzen wir uns in die vorderste Kirchenbank und lassen die Stille, die uns umfängt, wirken, als plötzlich der schwere Klang der Orgel ertönt. Da die höchst unmelodiöse Klangqualität ausschließt, dass der Organist uns ein Privatkonzert gibt, spricht einiges dafür, dass er die vormittägliche Stunde nutzt, um zu üben.
"Die Orgel", so erklärt mir der Herzog, "wurde von Napoleon III. hierher gebracht und stammt aus der Kirche Santa Maria Novella in Florenz", wobei er hinzufügt: "Er war Napoleons Neffe und ist in Augsburg aufgewachsen, weshalb er einen ausgeprägten schwäbischen Akzent sprach. Nach allem was man weiß, war er ein rechter Lausbub."
Lächelnd kann ich mir nicht verkneifen, zu erwidern: "Aber der Lausbub hat auch viele Kriege geführt." "Ja, das machen Lausbuben dann, wenn sie groß sind."
Nach einiger Zeit hat der Organist Erbarmen und verschont uns mit weiteren Übungen. Nachdem wieder wohltuende Stille eingetreten ist, holt der Herzog ein altes, kleines Büchlein aus der Innentasche seines Jacketts. Es ist ein Original der 1814 gedruckten Totenrede, die der Erzbischof von Tours an jenem Junitag in dieser Kirche hielt. Mit bedächtiger Stimme liest Josephines Nachfahre die einst hier gehaltene Grabrede vor, in der es u. a. heißt: "Kaiserin Josephine entsprach allen Erwartungen (...); Sie blieb, was Sie im bürgerlichen Leben gewesen, immer gütig, stets wohltätig (...) Ihre Schätze strömten zum Besten Aller." Nachdem er den Nekrolog mit dem Zitat "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen" aus dem Matthäus-Evangelium schließt, frage ich ihn: "In Grabreden wird immer nur das Gute gesagt. Was aber sagst du dazu, dass Josephine, weil sie persönlich davon profitierte, Napoleon 1802 erfolgreich dazu überredet hat, in ihrer Heimat Martinique die Sklaverei wiedereinzuführen, die im Zuge der Französischen Revolution abgeschafft worden war?" "Ja, das war sicher nicht eine ihrer besten Ideen. Ihr Denkmal in Martiniques Hauptstadt Fort-de-France wurde aus diesem Grund vor einigen Jahren geköpft, mit blutroter Farbe beschmiert und 2020 von einem johlenden Mob ganz niedergerissen. Ihre Haltung zur Sklaverei ist eine Schuld, die schwer wiegt. Aber du weißt", fügt Nicolaus von Leuchtenberg nachdenklich hinzu: "was es im Vaterunser über die Vergebung heißt."